Das Paradox der Lebensversicherung - von Malte Krüger

Altersvorsorge ist ein Geschäft !

Spätestens seit der Teilprivatisierung der Rente sogar ein sehr einträgliches. Doch darin liegt auch das Problem: Denn dieses Geschäft wird betrieben mit Produkten, die der Vorsorge nicht (mehr) dienlich sind. Dazu zählt neben der Riester-Rente auch die Lebensversicherung. Weil aber das Geschäft so einträglich ist, hat sich die Lobby der Finanzindustrie einschließlich des GDV auch dafür eingesetzt, die Politik dazu zu bewegen, die gesetzliche Rente weiter zu schwächen und die Verbraucher umso abhängiger von der Teilprivatisierung der Rente zu machen. Stichwort: Agenda-Politik. 

Die Mehrheit weiß, dass wir uns volkswirtschaftlich in einer Niedrigzinsphase befinden. Das ist kein Nischenwissen, sondern Teil der Mainstream-Öffentlichkeit. Daraus folgt, dass eine Lebensversicherung nicht mehr als Vorsorgeprodukt geeignet sein kann. Das betrifft auch die Rentenversicherung. Sie taugen nicht mehr als Ansparprogramme, um im Alter Armut zu vermeiden. Alles, was die Mehrheit dieser Produktsorten dem Verbraucher noch einbringen, sind garantierte Wertverluste. Das hat jüngst eine Studie der Journalisten Holger Balodis und Dagmar Hühne noch einmal bewiesen. 

Dennoch werden Lebensversicherungen immer noch verkauft. Warum, wenn sie doch objektiv keinen Sparnutzen mehr bringen? Sie werden verkauft, weil damit für die Vertreiber und Hersteller immer noch Geld zu verdienen ist. Wie stellen die Vertreiber das an, gerade weil die Fragwürdigkeit der Lebensversicherung im Mainstream angekommen ist? Sie stellen das an durch systematische Manipulation. Darin werden die Vertriebler bei den Finanzstrukturvertrieben, den Versicherungen und bei den Banken ausgebildet. Woher weiß ich das? Ich weiß das, weil ich Teil der Branche bin, die sich hierbei zum Komplizen der Finanzindustrie macht: die Weiterbildungsindustrie. Das Heer an Rhetorik- und Verkaufstrainern tut sich dabei hervor. Eine Technik der Manipulation ist zum Beispiel folgende Methode: Die Braut wird über den Weg der Rendite-Effekte durch die Zulagen hübsch gemacht. Diese Metapher ist in Maklerkreisen weit verbreitet. So als gäbe es keine Zinsverluste durch die Kosten. Gerade weil es diesen garantierten Wertverlust zu verschleiern gilt, sind die Kosten der Produkte auch so intransparent. Und deswegen müssen so viele Vermittler im Verkaufsgespräch beim Kunden mit dem Mittel der Manipulation arbeiten. Zumal die vermeintlichen Rendite-Effekte schon deswegen nicht wirksam werden können wegen der Logik des Provisionsvertriebes. Nach dieser Logik werden diese langfristigen Effekte nicht eintreten, weil ein Produktvermittler davon abhängig ist, Produkte alle zwei oder drei Jahre umzudecken. Er lebt schließlich vom Neugeschäft. Und der Produktlieferant freut sich darüber. Der Kunde wird jedoch wegen der immer wieder anfallenden Kosten finanziell ausgelaugt. 

Weil der Produktlieferant sich darüber freut, ist er daran interessiert, dass seine Vertriebler besonders gierig sind. Deshalb sind die Finanzstrukturvertriebe, aber auch immer mehr die Banken, bestimmt von einer totalitären Erfolgsideologie. Das heißt, der Wert eines Vertrieblers richtet sich nach seinen Verkaufszahlen. Der Vertriebserfolg wird als Charakternachweis bewertet, über dem nichts Anderes steht, so als sei Misserfolg einzig das Resultat einer Charakterschwäche. Doch der Zwang, erst durch Verkaufserfolge einen Wert als Mensch zu erwerben, lässt schnell jedes Mittel des Verkaufs als recht und richtig erscheinen – solange es erfolgreich ist. Es gibt keine Tabus. Nach dieser Logik werden die erfolgreichen Mitglieder ähnlich einem Personenkult aufs Podest gestellt. Und die Verlierer? Die haben ein schlechtes Gewissen, weil sie sich einreden, nicht genügend Tabus für den Erfolg gebrochen zu haben. Dieses Bild ist keine Erfindung, sondern es gibt genügend Publikationen über das Wertesystem von Strukturvertrieben. Interessant ist dabei, dass der von Gier getriebene Provisionsvertriebler seine Gier an den Kunden weitergibt. Er macht das, indem er dem Kunden einen Traum verkauft: den Traum von einem sorgenfreien Leben im Alter im sicheren Abstand von der Altersarmut. 

Könnte die Honorarberatung dazu eine dem Kunden dienende Alternative sein? Das muss sich erst noch herausstellen. Denn natürlich sind die Honorarberater nicht die besseren Menschen. Natürlich garantiert ihr Vergütungsmodell nicht, dass sie mehr Expertenwissen haben als ein Provisionsberater. Und natürlich besteht beim Honorarberater die Gefahr, dass er Minuten schindet, um seinen Verdienst zu erhöhen, so wie ein provisionsgetriebener Vermittler alles daran setzt, die provisionsstärksten Produkte zu verkaufen – unabhängig davon, ob diese Produkte für den Kunden einen Nutzen haben oder nicht. Die Honorarberater haben aber einen entscheidenden Vorteil: Sie haben noch nicht eine so lange Vertriebsgeschichte vorzuweisen wie die Provisionsvertriebler. Und diese Geschichte spricht mit ihren Vertriebsexzessen gegen den Provisionsvertrieb, beispielsweise die Exzesse in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung. Dort haben speziell die Finanzstrukturvertriebe schlichtweg verbrannte Erde hinterlassen. Da sich die Banken den Finanzstrukturvertrieben mit ihrer provisionsgetriebenen Holgeschäftspraxis immer mehr angleichen, wird wahrscheinlich noch mehr verbrannte Erde entstehen – nicht nur im Osten. Deshalb haben die Honorarberater noch die Chance, sich zu bewähren. Hoffentlich nutzen sie diese Chance.

 

Über:

maltekrueger

Bio: Ich bin Kommunikationsberater, Bildungsmanager, Rhetoriktrainer und nun auch Buchautor. In Schleswig-Holstein leite ich seit zwanzig Jahren mit zwei Partnern eine Privatschule für Fortbildung Privatunterricht. Dort coache ich in den Disziplinen Rhetorik, Dialektik und Rabulistik Politiker, Ärzte, Lehrer und Schulleiter und Juristen.